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Hamlet -- Ein Rachedrama |
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Directed by: | Svend Gade, Heinz Schall. |
Written by: | Erwin Gepard (from the Hamlet legend discovered by Dr. Edward P. Vining). |
Production company: | Art-Film G.m.b.H., Berlin. |
Photography: | Curt Courant, Axel Graatkjer. |
Set design: | Svend Gade (drafts), S. Wroblewsky. |
Costume design: | Hugo Baruch, Leopold Verch. |
Cast: | Asta Nielsen (Prince Hamlet), Eduard von Winterstein (King Claudius), Mathilde Brandt (Queen Gertrude), Heinz Stieda (Horatio), Hans Junkermann (Polonius), Lilly Jacobsson (Ophelia), Fritz Achterberg (Fortinbras), Anton de Verdier (Laërtes), Paul Conradi. |
Studio / Locations: | Jofa-Atelier, Berlin-Johannisthal. |
Première: | 27 Jan 1921, Schauburg, Hamburg, 09 Feb 1921, Mozartsaal, Berlin. |
Censorship data: | Berlin 1920 (no. 715), prologue and 6 acts, 2367 m, prohibited for children. |
Hamlet is a girl! In this non-Shakespearean adaptation of the Hamlet story, Asta Nielsen stars in the leading part as Prince Hamlet, "a Sarah Bernhard of film", as one contemporary critic wrote, "so boyish that in the meantime one forgot that he was supposed to be a girl." (Did Arnie know when he played Hamlet in a scene of Last Action Hero (USA 1993)?)
A.F.
Hamlet
Einer der Filme, von denen am meisten gesprochen worden ist und denen man deshalb
mit einer gewissen Spannung entgegensieht. Sie wird nicht enttäuscht. Hamlet
-- ein Weib? Dieser Versuch, das Rätsel des Dänenprinzen zu deuten,
ist an sich reizvoll und dichterisch stark genug, um die großen Züge
des Geschehens in der neuen Form des Films erstehen zu lassen. Ausdrücklich
sei betont, daß nirgends aufdringliche Gelehrsamkeit zutage tritt, abgesehen
von einem kurzen "Vorspann", der berühmte Männer mit ihren
Ansichten über Hamlet zeigt und als Vorankündigung gedacht ist.
Das ganze Spiel, das sich nun in fesselnden Bildern entrollt, heißt Asta
Nielsen. Ihr schlanker, jungenhafter Körper im eng anliegenden schwarzen
Wams, der melancholische Blick ihrer großen träumerischen Augen,
eine ganz ursprüngliche kleine Geberde zwischendurch: das alles wirkt zusammen,
um ihrem Hamlet von Anfang an tiefes menschliches Interesse zu sichern. Ganz
neue Möglichkeiten tun sich auf, nun dieser Prinz ein verkleidetes Weib
ist, das bei der Geburt von seiner Mutter als Prinz ausgegeben wurde, um den
Thron zu erhalten und nun sein Leben lang an dem Fluch dieser Lüge zu tragen
hat. Nach außen Mann, dem schöne Frauen sich lächelnd nahen,
im Herzen tiefste Weibessehnsucht nach dem Freunde, der erst an dem Toten das
Geheimnis entdeckt und über der Leiche in jäher Erkenntnis zusammenbricht.
Um diese erschütternde Gestalt gruppieren sich eine Anzahl ausgezeichneter
Darsteller. E. v. Winterstein gibt dem verbrecherischen Oheim, der dem Bruder
Thron und Weib geraubt, die Wucht des Bösen und den Zwiespalt argwöhnischen
Mißtrauens. Heinz Stieda als Freund Hamlets in frischer Lebendigkeit.
Lilly Jacobssons Ophelia umkränzt die schwellende Fülle des Weibes
mit mädchenhaftem Liebreiz. Der Polonius Hans Junkermanns etwas stark auf
das Läppische eingestellt. Paul Conradi als Hamlets Vater -- den der Film
in feiner Erkenntnis seiner Grenzen nicht als Geist erscheinen läßt
-- Mathilde Brandt als Königin, Anton de Verdier als Ophelias Bruder und
Fritz Achterberg als König von Norwegen vervollständigen das Bild.
Die Bearbeitung der Sage durch Erwin Gepard paßte sich aufs glücklichste
den Forderungen der Filmkunst an. Svend Gade und Heinz Schall bemühten
sich um sorgfältige und saubere Regie und stellten das Ganze in einen ungewöhnlichen,
reichen Rahmen. So entstehen Bilder von großer Schönheit, wie der
träumende Prinz am Fenster, das Herabschreiten Hamlets auf der großen
Treppe zum Bankettsaal mit dem weit nachschleppenden schwarzen Mantel, die lauernde
Zwiesprache zwischen dem anscheinend wahnsinnigen Prinzen und dem König
auf der Treppe vor dem Palast, die Opheliaszenen im Garten und Bogengang usw.
Die Photographie, für die Curt Courant und Axel Graatkjer verantwortlich
zeichnen, ist namentlich bei den Großaufnahmen von prachtvoller Weichheit
im Ton. Die ausgezeichneten Bauten schuf S. Wroblewsky im Jofa-Atelier.
Anonymous
Hamlet
"Hamlet". Drama in einem Vorspiel und sechs Akten, nach der von Professor
Vining aufgefundenen alten Hamletsage bearbeitet von Erwin Gepard. Regie: Svend
Gade und Heinz Schall. Photographie: Curt Courant und Axel Graatkjer. Dekorationen
nach Entwürfen von Svend Gade. Fabrikat Art-Film. (Mozartsaal.)
Es ist bezeichnend, daß dieser Hamlet-Film schon lange vor seiner Uraufführung
viel umstritten wurde. Man hat von Shakespeare-Fälschung geschrien und
von der Gegenseite protestiert. Wenn man den Film gesehen hat, muß man
konstatieren, daß die Proteste gerechtfertigt waren. Wohl schöpfen
beide Werke, der Film wie das Bühnendrama, aus der gleichen Quelle, entlehnt
der Film manche Szene vom Theater, ist aber in seiner ganzen Anlage und Ausgestaltung,
die manches Neue und Schöne hinzufügt, grundverschieden von der Auffassung
des großen Briten. Während Shakespeare aus seinem Hamlet einen Grübler
und Philosophen macht, fügt der Film zu dem auch hier den Hintergrund bildenden
Königsdrama vom verbrecherischen Oheim und der buhlenden Mutter einen neuen
Konflikt. Auf die Urquelle der Hamletsage zurückgreifend, wie sie von dem
amerikanischen Literaturforscher Professor Vining aufgefunden wurde, betont
der Film neben dem psychischen noch den physischen Konflikt, der sich daraus
ergibt, daß der Dänenprinz jener Sage nach ein Mädchen gewesen
sein soll. Das kompliziert die Geschichte und gibt ihr eine überraschende
Wendung.
Schuld an dem Unheil hat die Königin Gertrude, die, während der König
im Felde gegen die Norweger steht, einem Mädchen das Leben schenkt und
auf das Gerücht vom Tode des Königs das Kind als Knaben ausgibt, um
ihm den Thron zu erhalten. Als der König unerwartet heil aus dem Feldzug
heimkehrt, muß er sich in den Betrug fügen, um das Prestige beim
Volke nicht einzubüßen. Die Handlung wickelt sich dann zunächst
ähnlich dem Drama ab, der Oheim vergiftet den König durch einen Schlangenbiß
und reißt den Thron mitsamt der Königin an sich. Der von der Hohen
Schule in Wittenberg heimkehrende Hamlet ahnt den Hergang und stellt sich irrsinnig,
um dem Geheimnis besser nachforschen zu können. Nur sein Freund Horatio
ist eingeweiht. Um Hamlet zu zerstreuen, sucht man ihn für Ophelia, die
schöne Tochter des Kämmerers Polonius, zu interessieren. Hamlet geht
scheinbar darauf ein, in Wirklichkeit liebt er seinen Freund Horatio, was ihm
erst zum Bewußtsein kommt, als er merkt, daß Horatio Ophelia liebt.
Durch eine wandernde Komödiantentruppe, die er den Königsmord darstellen
läßt, verschafft sich Hamlet Gewißheit über die Täterschaft
des Oheims. Bei der nachfolgenden Szene mit der Mutter ersticht er den hinter
dem Vorhang lauschenden Polonius. Der Oheim Claudius erkennt, daß der
Stoß ihm galt und versucht, sich Hamlets zu entledigen. Mit zwei Begleitern
schickt er ihn zu dem lehnspflichtigen König Fartinbras von Norwegen, dem
er befiehlt, Hamlet zu enthaupten. Fartinbras, sein Freund aus der Wittenberger
Zeit, schließt aber neue Freundschaft mit Hamlet und beschließt,
ihm zu helfen. Mit einem starken Heer zieht er nach Dänemark. Hamlet findet
den Oheim in fröhlicher Zechgenossenschaft, macht den Entsetzten völlig
betrunken und läßt ihn durch Feuer umkommen. Am Grabe Ophelias, die
sich aus Gram ertränkte, fordert ihn ihr Bruder Laërtes zum Zweikampf.
Seine eigene Mutter vergiftet die Degenspitze, die ihm den Tod bringt. Sie selbst
ergreift aus Versehen den Giftbecher. Gerührt erkennt Horatio an der Leiche
des Freundes, daß Hamlet ein Mädchen war. Der zu spät mit seinem
Heer eintreffende Fartinbras kann den Freund nur noch ehrenvoll zu Grabe tragen.
Der stark vom Drama abweichende Schluß gibt Gelegenheit zu imposanten
Bildern, wie überhaupt die Regie äußerst eindrucksvolle Szenen
geschaffen hat: Das Festmahl bei der Hochzeit des Königs in der weiten
Halle, die Schule in Wittenberg, die Ankunft bei Fartinbras. Auch im Architektonischen
und Landschaftlichen wird außerordentlich Schönes geboten, unterstützt
durch saubere, klare Photographie.
Asta Nielsen war die einzige, die den Dänenprinzen spielen konnte und sie
spielt ihn hervorragend, eine Sarah Bernhard des Films (der sie in Kostüm
und Geste ähnelte), spielt ihn so jünglingshaft, daß man darüber
vergaß, daß er eigentlich ein Mädchen sein soll. Wenn man trotzdem
manchmal sich des Gefühles nicht erwehren konnte, daß das gesprochene
Wort fehlte, so mag das zum großen Teil am Manuskript liegen, das ängstlich
jeden Anklang an Shakespeare mied und reichlich triviale Zwischentexte gab.
Ueberdies scheint der Film stark beschnitten und wirkt in der konzentrierten
Aufeinanderfolge der Ereignisse etwas überstürzt. Aber er bringt Szenen
von starker Wirkung und wird immerhin ein interessantes Experiment bleiben.
Neben Asta Nielsen stehen Namen von bewährtem Klang: Eduard von Winterstein
(König Claudius), Mathilde Brandt (Königin Gertrude), Heinz Stieda
(Horatio), Hans Junkermann (ein bißchen reichlich trottelhaft als Polonius),
Lilly Jacobsson (Ophelia), Fritz Achterberg (Fortinbras) und Anton de Verdier
als Laërtes.
In den von Art-Film belegten Riesenateliers der "Jofa" herrscht zur Zeit Hochbetrieb. Die Aufnahmen zu dem großen Asta Nielsen-Film "Hamlet" sind in vollem Gange. Die bisher von strahlender Sonne begünstigten Aufnahmen sind äußerst gelungen und entzücken durch ihre plastische Schönheit und vollendete Tiefenwirkung alle Fachleute. Svend Gades Bauten holen durch ihre monumentale Stilisierung die letzten malerischen Wirkungen jedes Bildes heraus, sodaß jede Szene schon in der Ausstattung zum Kunstwerk gestempelt wird. Neben Svend Gade ist der Regisseur Heinz Schall tätig. Dieser interessante Film wird von den Operateuren Axel Graatkjer und Curt Courant gedreht.
Film und Presse (Berlin) vol. 1, no. 4, 30 Jul 1920, p. 83.Hamlet
Noch nie ist um einen Film ein solcher Streit entbrannt, wie um "Hamlet". Als die erste Nachricht bekannt wurde, daß man "Hamlet" im Film bringen will, daß Asta Nielsen die Hauptrolle, den Prinzen Hamlet spielen will -- da gab es ein Streiten und Disputieren überall in der Presse, nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt. Dabei ging der Kampf aber nur um die Idee. Daß Asta Nielsen diese Rolle verkörpern wollte, mochte auch der böseste Kino-Gegner nicht als Anstoß betrachten. Diese stillschweigende Anerkennung aller Kreise ist eigentlich ein Lob, das mehr wiegt als laute Zustimmung. Eine Meinung zu äußern, ist das Recht jedes denkenden Menschen; freilich wußten die, deren Zorn gegen eine gefürchtete Shakespeare-Verfilmung gar so hoch loderte, nicht, daß dieser Film "Hamlet" ein ganz selbständiges, Shakespearesches Genie nicht antastendes Werk ist -- aufgebaut auf der alten, von dem amerikanischen Literaturforscher Prof. Vining gefundenen Hamletsage.
Und aus dem Rahmen dieser uralten Geschichte, aus dem rauhen und leidenschaftlichen Leben des frühen Mittelalters tritt uns Asta Nielsen, die unerreichte, die einzige Filmschauspielerin von internationaler Klasse, auf der Höhe ihrer Kunst entgegen.
Dieser neue große Asta Nielsen-Film "Hamlet" gibt uns die Tragödie einer Frau. -- Hamlet, der Dänenprinz, ist ein Weib. Um den Thron zu retten, hat die Königin in der Stunde der Not das eben geborene Mägdlein als Knaben, als Thronerben ausrufen lassen. Diese Lüge, die nur der heranwachsende Hamlet und seine Mutter kennen, lastet auf dem jungen Leben. Jedes natürliche Gefühl, das sich in seinem Herzen regt, wird verzerrt oder versteckt -- und rings um ihn geschieht grauenvolles Verbrechen, das zu sühnen dieser weibliche Mannesmut unternimmt. Aber stärker als ein edles Herz ist das Geschick; in der Vernichtung des Bösen stürzt auch er, der nur Reines wollte, stirbt Hamlet.
Die höchste Aufgabe für jeden Künstler, ein ganzes Menschenleben bis in die letzte Empfindung glaubhaft nachzuschaffen -- das bietet uns hier Asta Nielsens meisterhafte Leistung. Zusammen mit ihr wirkt eine erlesene Künstlerschar, und das Ganze rundet sich zu einem Werk, wie es heute keine andere Filmschöpfung in gleicher Vollendung zeigt.
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schultke.
Last update (this page): 13 Apr 2004.
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